Wissensreifungsmodell

Die theoretische Fundierung bildet das Wissensreifungsprozessmodell [Schmidt 2005, Maier & Schmidt 2007], das die unterschiedlichen Arten von Wissen und der damit verbundenen Lernformen in ein Kontinuum einordnet, in dessen Verlauf sich das Wissen entwickelt: es wird weniger implizit kontextualisiert, wird stärker explizit vernetzt, leichter zu kommunizieren, kurzum: es reift. Auf der Basis von Fallstudien Wikipedia ([Braun & Schmidt, 2007]) wurden fünf charakteristische Phasen identifiziert:

  • Entstehen von Ideen (expressing ideas). Neue Ideen entstehen durch den einzelnen auf der Basis persönlicher Erfahrungen oder in stark informellen Diskussionen. Das Wissen ist subjektiv und tief in den Entstehungskontext eingebettet. Die benutzten Begriffe, die zur Kommunikation oder für persönliche Notizen verwendet werden, sind unscharf und meist spezifisch für die Person.
  • Verbreitung in Communities (distributing in communities). In dieser Phase wird eine gemeinsame Terminologie zwischen den Mitgliedern einer Community ausgehandelt, z.B. im Rahmen von synchronen oder asynchronen Diskussionen (über Foren, Blogs oder Wikis).
  • Formalisierung (formalizing). Während die in den vorangegangenen Phasen erzeugten Artefakte stark subjektiv, unstrukturiert und stark mit der Community, in der sie entstanden waren, verbunden waren, wird in dieser Phase das Wissen objektiviert und Annahmen aus dem Entstehungskontext zumindest teilweise explizit gemacht. Dies geschieht durch das Erstellen von zweckorientierten (Gebrauchs-)Dokumenten, z.B. Projektberichte oder Entwurfsdokument, aber auch Prozessmodelle.
  • Ad-Hoc-Fortbildung (ad-hoc learning). Die in der Formalisierungsphase erzeugten Dokumente sind nicht besonders gut als Lernmaterialien geeignet, da keinerlei didaktische Überlegungen einbezogen wurden. In dieser Phase nun wird das Material unter pädagogischen Gesichtspunkten weiter aufbereitet, um die Verständlichkeit und damit auch die Nutzung (und damit auch die Wiederverwendbarkeit) zu erhöhen. Dies können Lernobjekte für die Fortbildung darstellen, oder aber auch Leitfäden.
  • Formelle Bildung (formal training). In der höchsten Reifestufe werden individuelle Lernobjekte oder andere Lernmaterialien zusammengestellt, um ein breiteres Wissensgebiet abzudecken, so dass dieses auch an Anfänger vermittelbar wird. Prüfungen und Zertifikate bestätigen, dass Teilnehmer an formalen Bildungsveranstaltungen ein bestimmtes Kenntnisniveau erreicht haben.

Für diese unterschiedlichen Phasen lassen sich Kriterien angeben, wie sie in [Maier & Schmidt, 2007] herausgearbeitet wurden. Hierzu gehören Vermittelbarkeit, Vernetzungsgrad, aber auch der Grad der Belastbarkeit und Legitimation von Informationen.