Bildungsbedarfsanalyse
Bildungsbedarf und -bedürfnis
Für die Bildungsbedarfsplanung ist es im ersten Schritt wichtig, zwischen Bildungsbedarf und Bildungsbedürfnis zu differenzieren:
- Der Bildungsbedarf ist die objektive Abweichung zwischen einem Ist-Verhalten bzw. einer Ist-Leistung eines Mitarbeiters von einem festgelegten Soll-Verhalten bzw. einer Soll-Leistung, die durch geeignete Bildungsmaßnahmen behoben werden kann.
- Im Gegensatz dazu ist das Bildungsbedürfnis die subjektiv durch den einzelnen Mitarbeiter empfundene Diskrepanz zwischen Soll-Verhalten bzw. Soll-Leistung und Ist-Verhalten bzw. Ist-Leistung. Hierbei kann es zu Differenzen zwischen Bildungsbedarf und Bildungsbedürfnis kommen, was auf eine unterschiedliche Soll-Definition und eine unterschiedliche Wahrnehmung des Ist-Zustandes zurückgeführt werden kann.
Reaktive vs. proaktive Bildungsbedarfsplanung
Die Planung von Bildungsmaßnahmen kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten durchgeführt werden: reaktiv oder proaktiv. Reaktive Bildungsplanung findet dann statt, wenn Angebote auf akuten Bedarf hin ins Programm genommen werden. Bei der proaktiven Bildungsplanung versucht man, einen zukünftigen Bedarf zu antizipieren. Hierdurch lässt sich Bildungslücken, die durch veränderte Anforderungen entstehen, frühzeitig entgegenwirken.
Ebenen der Bedarfsanalyse
Der Bildungsbedarf lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen ermitteln, denen jeweils eine andere Perspektive zugrunde liegt. Becker unterscheidet hierbei drei Ebenen der Bedarfsanalyse:
- Strategische Bedarfsanalyse. Auf dieser Ebene werden zukünftige Entwicklungen und die damit verbundene Änderungen der Anforderungen an die Mitarbeiter antizipiert. Typische Methoden, die hier eingesetzt werden, sind Trendanalyse oder Expertenbefragungen.
- Operative Bedarfsanalyse. Hier wird der Bedarf auf der Basis der aktuellen Anforderungen ermittelt.
- Individuelle Bedarfsanalyse. Die Basis des Bedarfs ist hierbei das Potential, die Wünsche und die evtl. Karriereplanung des einzelnen Mitarbeiters.
Reifegrade der Bedarfsplanung
Becker unterscheidet unterschiedliche Reifegrade in der Bildungsplanung:
- Institutionalisierungsphase. In dieser Phase werden Veranstaltungen ohne vorherige Bedarfsermittlung angeboten. Führungskräfte melden die Teilnahmen ihrer Mitarbeiter an diesen Veranstaltungen.
- Differenzierungsphase. In dieser Phase findet eine systematische Ermittlung in periodischen Abständen statt; hierzu kooperieren die Personalentwicklungsverantwortlichen mit den Führungskräften und stellen so ein Weiterbildungsprogramm auf.
- Integrationsphase. In dieser höchsten Phase findet eine ständige Bedarfsermittlung direkt im Arbeitsprozess statt. Lernen und Arbeiten wachsen zusammen.
Elemente der Bedarfsanalyse
Versucht man den Prozess der Bedarfsanalyse in unterschiedliche Referenzschritte einzuteilen, so ist der erste Schritt einer typischen Bedarfsanalyse die Tätigkeitsanalyse. Bei dieser werden die Aufgaben und Tätigkeiten ermittelt, die von den Mitarbeitern wahrgenommen werden, sowie die Kenntnisse und Fertigkeiten, die diese erfordern. In der nachfolgenden Anforderungsanalyse wird auf einer mittleren Abstraktionsebene (sog. "Stellenbündelniveau") die Menge der Anforderungen für eine Stelle ermittelt.
Auf Mitarbeiterseite werden im Rahmen der Adressatenanalyse die aktuell vorhandenen Kompetenzen ("Qualifikationsanalyse") und die Entwicklungspotentiale (Potentialanalyse) ermittelt. Daraus kann dann eine Lücke ermittelt werden, für die eine Ursachenanalyse durchgeführt wird. Diese versucht herauszufinden, ob die Lücke durch einen Mangel im Dürfen (Ordination), Mangel im Wollen (Motivation) oder einen Mangel im Können (Qualifikation) begründet ist. Beim Mangel im Können ist noch weiter zu unterscheiden, ob es sich um einen Mangel an Potential, Mangel an Übung oder Mangel an Rückkopplung handelt. Nur ein Mangel im Können, der nicht diesen drei Kategorien zuzuordnen ist, ist ein Bildungsbedarf; ansonsten handelt es sich um einen Förderbedarf.